Mittwoch

"Es wird keine Helden geben" von Anna Seidl ♥Themenbeitrag♥ Mobbing - wie ich es persönlich erlebt habe


Wie ihr ja sicher mitbekommen habt, wurde vor einigen Tagen eine Bloggeraktion gestartet. Gesucht wurde 100 Blogger die Lust haben ein Buch zu lesen, welches zwar für Jugendliche bestimmt ist aber einen ernsten Hintergrund hat.

"Berührend, fesselnd, unfassbar: Wenn nichts mehr ist, wie es war. Kurz, nachdem es zur Pause geläutet hat, hört Miriam einen Schuss. Zunächst versteht niemand, was eigentlich passiert ist, aber dann herrschen Chaos und nackte Angst. Matias, ein Schüler aus ihrer Parallelklasse, schießt um sich. Auch Miriams Freund Tobi wird tödlich getroffen. Miriam überlebt - aber sie fragt sich, ob das Leben ohne Tobi und mit den ständig wiederkehrenden Albträumen überhaupt noch einen Sinn hat. Waren sie und ihre Mitschüler Schuld an der Katastrophe? Das großartige Debüt von Anna Seidl, die erst 16 Jahre alt war, als sie diese aufwühlende Geschichte geschrieben hat: eine intensive Auseinandersetzung mit den Folgen eines Amoklaufs für die Überlebenden, mit Schuld und Trauer, schonungslos erzählt." Quelle: Amazon

Ich selber konnte das Buch noch nicht lesen, da es noch nicht da ist aber ich habe mich über das Buch und dessen Inhalt informiert und weiß, das der Täter auch unter Mobbing litt und es unter anderem ein Grund für den Amoklauf ist.


Ich selber weiß wie es sich anfühlt gemobbt zu werden und sich absolut hilflos zu fühlen. Es gab keinen Tag an dem ich nicht schon früh am Morgen bauchweh hatte, weil ich wusste was mich an diesem Tag wieder erwarten könnte. Bevor es rein ging  in die Schule, stand ich immer allein da...abgeschnitten von den anderen...so unauffällig wie möglich.

Wenn es dann endlich rein ging, ging ich immer schnell an meinen Platz, setzte mich und hoffte, das die Lehrerin bald rein kommt....doch selbst im Unterricht hatte ich von den Attacken meiner Mitschüler keine Ruhe. Kaum das der Lehrer nicht hinsah, wurden mir die Schulsachen weggenommen oder ich wurde mich Essen beworfen. Wenn es zur Hofpause klingelte, blieb ich freiwillig im Klassenzimmer und genoss die paar Minuten Ruhe. Die Lehrer wussten was bei uns in der Klasse los war, doch so richtig helfen konnten oder wollten sie nicht. Den einzigen Rat den ich bekam war "Am besten du bist immer in der Nähe eines Lehrers".....doch was das Fass zum überlaufen brachte war ein Junge aus meiner Klasse. Er legte mir, in der Pause und ganz unverfroren, sein Glied auf den Schultisch. JA...ihr habt richtig gelesen. Ich war total erschrocken aber diesmal wollte ich es mir nicht gefallen lassen und teilte es der Lehrerin mit. Das Fazit: Ich hab gedroht ihn anzuzeigen und er kam, wie ein Häufchen Elend, mit seiner Mutter vorbei um sich zu entschuldigen.

Nun sollte man meinen, wäre für mich alles gut gewesen....falsch gedacht. Viele Mobbingopfer freuen sich, wenn die Schule vorbei ist und sie endlich heim dürfen.....doch bei mir war das nicht der Fall. Ich lebte mit meiner Mutter und meinen 2 Geschwistern (die dritte lebte bei unserer Oma) bei dem Vater unserer jüngsten Schwester und dort traf das Klichee des "bösen Stiefvaters" voll und ganz zu....


Während meine jüngste Schwester (und sein leibliches Kind) seine Prinzessin war, haben wir zum Teil den ganzen Frust und Ärger abbekommen. Schläge ins Gesicht, Hausarrest von enormen Ausmaß ohne jeden Grund gehörten dazu sowie das eingesperrt sein im dunklen Badezimmer. War die Brotdose nicht aus dem Ranzen geräumt, wurde diese einem entgegengeworfen. Ich wurde angeschrien und beleidigt und meine Mutter hatte einfach nicht die Kraft oder den Mut uns zu verteidigen.

Ich erinnere mich an einen Moment, bei dem meine ältere Schwester geschlagen wurde und das so stark, das sie zu Boden fiel und sich am Küchenschrank stieß.....was soll man als Schwester da machen?

Egal ob in der Schule als Mobbingopfer oder Daheim, als Opfer von elterlicher Gewalt.  Man fühlt sich allein gelassen....hilflos...traurig und wütend zugleich.

Zuflucht fand ich bei den seltenen Besuchen bei meiner Oma und meinem Opa. Dort erhielt ich Zuspruch und Liebe, die ich so sehr vermisste. Sie wussten wie es bei mir daheim aussah aber was sollten sie tun? Ich war nur noch ein Schatten...ein Geist....habe kaum gesprochen und saß einfach nur da.

In solchen Momenten war es toll, wenn mich mein Opa in den Arm nahm und mir sagte "Du bist meine Liebe und eine gute"


Nach einigen Jahren änderte sich mein Leben dann endlich...meine Mutter fand den Mut sich zu trennen und bei IHM auszuziehen. Es war eine totale Erleichterung und das färbte sich auch auf meine Schulzeit ab. Ich wurde selbstbewusster, wehrte mich und langsam respektierte man mich.....alles wurde leichter und ich überstand die Schulzeit.

Meine Gedanken in dieser, für mich, schweren Zeit waren "Soll ich einfach abhauen?", "Wie ist es wohl tot zu sein?" oder "Wie wäre es wenn ich auch bei meinen Großeltern leben könnte?"

Diese Gedanken sind schon schrecklich für ein Kind......was muss da bei einem Amokläufer vorgefallen sein, das er sich zu so einer Tat entscheidet?

Ich hoffe das euch die Sicht eines Mobbingopfer "gefallen" hat und ihr so einen kleinen Einblick in dieses Thema bekommen habt und das Gefühlschaos eines jungen Menschen bekommen habt.


4 Kommentare:

  1. :( Och Mensch, jetzt hab ich Pippi in den Augen! Total gut geschrieben und so wahr. Als Mobbingopfer fühlt man sich einfach absolut hilflos. Ich kenne das auch. Meine Grundschulzeit war ne Tortour, die mir drei gebochene Rippen und diverse Prellungen eingebracht hat. Ich hatte wenigstens dass Glück nach der Grundschule meinen Frieden zu bekommen und Eltern zu haben, die für mich da waren. Ich kann mir vorstellen wie es dem Amokläufer in dem Buch geht. Mein Hass auf die Kinder meiner Grundschulklasse ist auch mit jedem Jahr größer geworden, aber dann habe ich irgendwann mal einen von ihnen wieder getroffen und gemerkt wie lächerlich es eigentlich ist, auf Kinder wütend zu sein, die heute längst erwachsen sind. Danke für den Text.

    Liebe Grüße,
    Franzi

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  2. Ich bin gerade geschockt. Denn ich hätte nie erwartet das es dich auch betrifft. Ich wurde zwar "nur" zu hause gemobbt, was aber auch schlimm genug ist. Den Wunsch tot zu sein, habe ich sogar heute noch in manch schwierigen Situation. So sehr hat es mir zugesetzt.
    lg Ramona :)

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  3. Oh mann Scatty, ich weiß gar nicht so recht, was ich sagen soll :-( Dein Beitrag hat mich unheimlich traurig gemacht und du hast mein tiefstes Mitgefühl - und meinen Respekt, dass du so offen und ehrlich darüber geschrieben hast! Ich finde es fürchterlich, wie du von deinen Mitschülern behandelt wurdest und was du zu Hause erleben musstest und leider kann ich auch nicht mehr tun als tröstende Worte auszusprechen (die jetzt, Jahre später natürlich zu spät kommen). Ich bin froh, dass du diese schwere Zeit mittlerweile überstanden hast und hoffe, dass sich endlich was tut in unserer Gesellschaft. Wertschätzung des anderen sollte selbstverständlich sein, aber leider ist es das nicht :-(

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  4. Gefallen hat mir deine Geschichte natürlich nicht, denn es ging mir ähnlich. Die Zustände zuhause waren furchtbar.
    Ich bin morgen dran mit "Wo fängt Mobbing an?"
    Wünsche dir alles, alles Gute
    GLG,
    Mel

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Zauberzungen